Lufthansa hat wieder eine Perspektive

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25. Juni 2020: Die ausserordentliche Hauptversammlung der Lufthansa-Aktionäre hat nach über sechs Stunden mit 98 Prozent dem umstrittenem Rettungspaket zugestimmt. Damit hat die Lufthansa Group – und unter anderem auch ihre Töchtern wie etwa Swiss – wieder genügend Geld, um weiter zu fliegen und eine Perspektive für die Zukunft. Vor Beginn der Hauptversammlung hatte bereits die Europäische Kommission das Stabilisierungspaket genehmigt.

Nachdem der Lufthansa-Hauptaktionär, der deutsche Multimilliardär Heinz Hermann Thiele am Abend des 24. Junis verkündete, er werde nun doch dem Rettungspaket des deutschen Staates für die Lufthansa zustimmen, konnte der Lufthansa-Aufsichtsrat die Hauptversammlung vom 25. Juni etwas ruhiger angehen. Dennoch gab Lufthansa erst kurz vor 18.30 Uhr bekannt, dass die um 12 Uhr gestartete ausserordentliche Hauptversammlung mit 98 Prozent der Stimmen das Rettungspaket angenommen habe.

Die Aktionäre der Deutschen Lufthansa AG haben sich so für die Annahme der Kapitalmassnahmen und der Beteiligung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) der Bundesrepublik Deutschland an der Deutschen Lufthansa AG ausgesprochen. Damit haben sie auch einer Teilverstaatlichung der Lufthansa Group zugestimmt, das war für den Hauptaktionär Thiele der störende Punkt. Aber schliesslich hat auch er eingesehen, dass die Alternative, nämlich eine Insolvenz der Lufthansa Group das grössere Übel gewesen wäre.

Das Paket sieht Stabilisierungsmassnahmen und Kredite von bis zu 9 Milliarden Euro vor. Der WSF wird sogenannte «Stille Einlagen» von insgesamt bis zu 5,7 Milliarden Euro in das Vermögen der Deutschen Lufthansa AG leisten. Ausserdem wird er im Rahmen einer Kapitalerhöhung eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital der Deutschen Lufthansa AG aufbauen.

Aktionäre kritisierten den niedrigen Einstiegspreis des Bundes von 2,56 Euro je Aktie, der aktuelle Kurs lag am 25. Juni knapp unter 10 Euro. Lufthansa-Vorstand Michael Niggemann erklärte, dies spiegle das Verhandlungsergebnis mit der Regierung wider. Zu bedenken sei, dass bei der ohne Rettung drohenden Insolvenz über ein Schutzschirmverfahren den Aktionären ein Totalverlust ihrer Anlagen gedroht hätte.

Ebenso stimmten die Aktionäre für die Einräumung von zwei Umtauschrechten für Teile der Stillen Einlagen. Diese Umtauschrechte sollen einerseits den Bund gegen eine Übernahme der Lufthansa und darüber hinaus die Zinszahlungen für die Stille Einlage absichern. Beide Umtauschrechte könnten beim Eintritt dieser Bedingungen in jeweils weitere fünf Prozent am Grundkapital der Gesellschaft gewandelt werde, teilte Lufthansa weiter mit. Ergänzt wird das Paket durch einen Kredit in Höhe von bis zu 3 Milliarden Euro unter Beteiligung der KfW und privater Banken.

Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG sagt: „Die Entscheidung unserer Aktionäre sichert der Lufthansa eine Perspektive für eine erfolgreiche Zukunft. Im Namen unserer 138’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter danke ich der deutschen Bundesregierung und den Regierungen unserer weiteren Heimatländern für Ihre Bereitschaft, uns zu stabilisieren. Wir Lufthanseaten sind uns unserer Verantwortung bewusst, die bis zu 9 Milliarden so schnell wie möglich an die Steuerzahler zurückzuzahlen.“

Durch den Beschluss der Hauptversammlung sei die Liquidität des Unternehmens nachhaltig gesichert. Die Unternehmen der Lufthansa Group arbeiten mit Hochdruck daran, ihre Geschäftstätigkeit wieder hochzufahren. So werden die Flugpläne der Airlines in den kommenden Wochen weiter konsequent ausgebaut. Anfang kommender Woche wird der Flugplan für die nächsten Wochen veröffentlicht. Er sieht vor, bis September wieder 90 Prozent aller ursprünglich geplanten Kurzstreckenziele und 70 Prozent aller Langstreckendestinationen in das Programm aufzunehmen.

Swiss und Edelweiss begrüssen den heutigen Aktionärsentscheid der ausserordentlichen Hauptversammlung der Lufthansa in einer Medienmitteilung. Denn auch ihre Liquidität ist damit gesichert. Bislang haben nämlich beide noch keinen Franken der vom Bundesrat und Parlament beschlossenen schweizerischen Bundeshilfe im Umfang von rund 1,2 Milliarden Franken erhalten, weil die Auszahlung an die Rettung der Muttegesellschaft Lufthansa gekoppelt ist. Die nächsten Schritte würden nun mit der Lufthansa Group und den jeweiligen Behörden und Gremien abgestimmt, so Swiss. Im Anschluss daran werden die ersten Kredite an Swiss und Edelweiss ausbezahlt. Thomas Klühr, CEO von Swiss: «Der heutige Entscheid der Aktionäre gibt uns Planungssicherheit, um die Wiederaufnahme des Flugbetriebs weiter voranzutreiben und die Anbindung der Schweiz an die Welt sicherzustellen».

Die Lufthansa Group erhält wohl mit den neun Milliarden das für einen erfolgreichen Restart notwendige Kapital. Doch sie muss möglichst bald sechs Milliarden davon zurückzahlen, ansonsten steigen die Zinsen dafür horrend. Die Rettung der Lufthansa dürfte somit für den deutschen Staat ein gutes Geschäft werden. Carsten Spohr hat am 25. Juni angekündigt, dass die Lufthansa in den nächsten Jahren 100 Flugzeuge weniger als wie vor der Corona-Krise fliegen werde. Damit ist auch klar, dass es zu einem grossen Stellenabbau kommen wird. Nimmt man die Kennzahl von 100 Angestellten pro Flugzeug, dann sind es 10’000 Jobs, die alleine bei der Lufthansa verloren gehen. In der ganzen Gruppe müssten gar 20’000 Stellen abgebaut werden, gab Lufthansa kürzlich bekannt. Sie befindet sich derzeit im Gespräch mit den Gewerkschaften. Bei der Kabine konnte bereits eine Lösung gefunden werden, eine mit den Piloten sei auf gutem Wege, aber mit dem Bodenpersonal konnte noch keine Lösung gefunden werden.

Auch Swiss wird nicht um einen Stellenabbau herumkommen, wenn auch in einem viel kleineren Mass als Lufthansa. Denn Swiss konnte nach dem Swissair-Grounding auf einer viel tieferen Kostenbasis starten, was sie mittlerweile auch zur besten Tochtergesellschaft von Lufthansa gemacht hat. Swiss hat sich in der Corona-Krise auch als sehr flexibel bewiesen, schaffte sie es doch alle ihre – derzeit für den Passagiermarkt viel zu grossen –Boeing 777-300ER erfolgreich für Frachtflüge einzusetzen, um nun ein Beispiel zu nennen.

Wenig erstaunend ist, dass Europas grösste Low-Cost-Airline Ryanair die Lufthansa wegen den Staatshilfen vor das Gericht der Europäischen Union zieht. „Dies ist ein spektakulärer Fall, in dem ein reicher EU-Mitgliedstaat die EU-Verträge zum Nutzen seiner nationalen Industrie und zum Nachteil ärmerer Länder ignoriert“, teilte Ryanair-Chef Michael O’Leary am Donnerstag in Dublin mit. Doch Ryanair dürfte damit wenig Erfolg haben, denn die EU hat während der Corona-Krise die «Spielregeln» für Staatshilfen an Airlines geändert. Deshalb kann auch Italien weiterhin die seit Jahren defizitäre Alitalia weiterhin in der Luft halten.    Hansjörg Bürgi

Der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Deutschen Lufthansa AG, Karl-Ludwig Kley, leitete die ausserordentliche Hauptversammlung. Foto Lufthansa

Carsten Spohr, der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa, skizzierte die schwierigen Zukunftspläne. Foto Lufthansa