NKF: Chancen und Risiken des „Plan Amherd“

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Der Bundesrat hat das Verteidigungsdepartement (VBS) beauftragt, bis spätestens Anfang September den Entwurf eines Planungsbeschlusses für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge (NKF) auszuarbeiten. Das Stimmvolk soll nur über die Kampfflugzeuge, nicht aber über ein neues bodengestütztes Luftverteidigungssystem (Bodluv) entscheiden. Ein Kommentar zum geplanten Vorgehen, wie es VBS-Vorsteherin Viola Amherd am heutigen 16. Mai präsentiert hat:

Die Argumentation der Verteidigungsministerin leuchtet ein: Politisch umstritten sind in erster Linie die Kampfflugzeuge, schliesslich stellen sie auch den finanziell grössten Brocken dar. Egal welcher Weg gewählt wird, früher oder später landet ein Programm zur Kampfflugzeugbeschaffung vor dem Volk. Ein modernes Bodluv-System dagegen lässt sich wohl auf dem ordentlichen Weg über die Rüstungsprogramme beschaffen.

Argument des Gesamtsystems geschwächt

Bisher waren maximal acht Milliarden für neue Kampfflugzeuge und eine Teilerneuerung der Bodluv-Mittel vorgesehen. Die Abstimmungsvorlage konnte also um zwei Milliarden Franken erleichtert werden. Doch das ändert nichts an den Gesamtkosten für das Programm Air2030. Es ist fraglich, ob sich die Abstimmungsresultate über einen Kredit von acht Milliarden (NKF + Bodluv) oder sechs Milliarden (nur NKF) überhaupt voneinander unterscheiden würden. Mit der Trennung von NKF und Bodluv im politischen Prozess wird aber das Argument aus der Hand gegeben, dass es beim Programm Air2030 um eine umfassende (wenn auch nicht komplette) Erneuerung der Schweizer Luftverteidigungsmittel geht, die schlussendlich darüber entscheidet, ob die Schweiz zukünftig überhaupt noch über eine Luftverteidigung verfügt oder nicht.

„Rabatt“ für NKF-plus-Bodluv-Deal

Die VBS-Vertreter betonten heute, dass die boden- und luftgestützten Mittel im Interesse von Wirksamkeit und Effizienz miteinander verknüpft sein müssen. Deshalb soll das Bodluv-System grösserer Reichweite prallel, in zeitlicher und technischer Abstimmung mit neuen Kampfflugzeugen beschafft werden. Das ist zweifellos richtig, doch mit der Separierung des Bodluv-Systems im politischen Beschaffungsprozess besteht die Gefahr, dass diese sinnvolle Verknüpfung komplizierter wird.

Für die Verhandlungsposition der Schweiz hätte es ein Vorteil sein können, ein Gesamtpaket mit einem Kostendach von maximal acht Milliarden aushandeln zu können, denn das Schnüren eines vorteilhaften Pakets von NKF kombiniert mit Bodluv-System ist nicht abwegig. Zwischen den Anbietern gibt es jedenfalls enge Verflechtungen: So ist zum Beispiel die US-Firma Raytheon, Hersteller des Bodluv-Systems Patriot, gleichzeitig Hersteller des APG-79 Radars der Boeing F/A-18E/F Super Hornet. Oder der französische Konzern Thales, der zusammen mit anderen hinter dem Bodluv-System SAMP/T von Eurosam steht,  liefert für die Dassault Rafale elektronische Systeme, die 25 Prozent des Flugzeug-Wertes ausmachen. Die Realisierung eines guten Gesamtpaketes mit allfälligen Kostenvorteilen wird sicher nicht einfacher, wenn ein Teil davon (NKF) den Weg über eine Volksabstimmung gehen muss.

Es wird knapp bei der minimalen Stückzahl

Die Obergrenze von sechs Milliarden für die Kampfflugzeuge, bisher war eher von sechs bis sieben Milliarden die Rede, macht das Erreichen einer sinnvollen Flottengrösse schwierig. Wenn die im externen Expertenbericht von Claude Nicollier empfohlene Anzahl von 40 neuen Jets beschafft werden soll um die gestellten Aufgaben zu erfüllen, darf der Systempreis pro Flugzeug nicht mehr als 150 Millionen Franken betragen – bei der 2014 gescheiterten Gripen-Beschaffung hat der Systempreis pro Flugzeug 142 Millionen  Franken betragen.

Potenzial für Einsparungen nutzen

Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, dass die Verpflichtungen der Hersteller für Kompensationsgeschäfte (Offsets) überprüft wurden. Diese haben zweifellos einen Nutzen für die Schweizer Industrie und das Know-how im Land, doch sie Verteuern eine Beschaffung. Der Bundesrat hat entschieden, dass nur noch Offsetgeschäfte für insgesamt 60 Prozent (statt wie bisher 100 Prozent) des Vertragswertes verlangt werden. 20 Prozent sollen direkte Offsets sein (direkt im Zusammenhang mit der Systembeschaffung) 40 Prozent sollen die sicherheitspolitisch relevante Technologie- und Industriebasis der Schweiz stärken.

Sicher gibt es darüber Sparpotenzial bei der Beschaffung. Das Beispiel Österreich mit seiner zeitweise fast zur Untauglichkeit zusammengesparten Eurofighter-Flotte zeigt zwar, dass man beim Sparen zu weit gehen kann. Aber die Frage muss gestellt werden, ob in Bereichen wie Bewaffnung, Aufklärungspods oder Bodeninfrastruktur von Anfang an das Beste in grosser Zahl sein muss. Darüber entscheiden müssen schlussendlich Experten. Eugen Bürgler www.vtg.admin.ch

VBS-Dokumente zum Thema:

Air2030: Planungsbeschluss zur Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen

Air2030 Planungsbeschluss Vernehmlassung Air2030