Vor 100 Jahren hob der Dornier Wal erstmals ab

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05. November 2022:  Vor 100 Jahren, am 6. November 1922, startete das Flugboot Dornier Do J „Wal“ zu seinem Erstflug – ein Erfolg, der Claude Dornier zu weltweiter Anerkennung verhalf und ihn zu einem der einflussreichsten Luftfahrtpioniere des 20. Jahrhunderts machte. Das Dornier Museum Friedrichshafen würdigt das Jubiläum mit einer neuen Sonderausstellung und eröffnet diese am Donnerstag, 10. November, wie es weiter mitteilt. 

Es war der 6. November 1922, als Claude Dornier am Nachmittag im italienischen Zweigwerk in Marina di Pisa eintraf. Er hatte kurz zuvor die Nachricht erhalten, dass das erste Wal-Flugboot startklar sei und reiste kurzerhand von Friedrichshafen zum Werk nach Marina di Pisa. Dort angekommen wurde Claude Dornier vom Werkspiloten und ehemaligen Marineflieger, Ulrich Niemeyer über die ersten Probeläufe, die befriedigend verliefen, unterrichtet. Niemeyer begab sich daraufhin zusammen mit dem damaligen Betriebsleiter an Bord des Flugboots mit der Kennung M-MWAA-WI. Unmittelbar darauf wurde das Boot ins Wasser geschoben. Pilot Niemeyer startete die Motoren, die beide gut ansprangen. Nachdem er auf dem Wasser mit halbem Gas einige Achten rollte, stellte er das Flugboot gegen den Wind, der landeinwärts wehte. Einige Minuten verstrichen. Plötzlich gab Pilot Niemeyer Vollgas und das Flugboot nahm überraschend schnell an Fahrt auf. Es war keine halbe Minute vergangen, als sich der erste „Wal“ unter dem Geschrei der italienischen Werksmitarbeiter in die Luft erhob. Der Jungfernflug war geglückt. Eine Erfolgsgeschichte begann.

In den 1920er-Jahren beflügelte der technische Fortschritt in der Luftfahrt die Hoffnung von Abenteurern, Forschern und nicht zuletzt auch politischen Strategen weltweit. In dieser Zeit entstand der Wal als eines der wichtigsten Flugboote von Dornier. Der Wal war weltweit eine fast unglaubliche Sensation. Flugzeugpionier Claude Dornier wagte 1922 das bisher Unmögliche: Er konstruierte in Friedrichshafen am Bodensee ein Ganzmetallflugzeug und verzichtete auf die zu dieser Zeit noch im Flugzeugbau üblichen Materialien wie Holz, Stahlrohre und Stoff. Rund 300 Mal wurde der Wal gebaut – auch in Lizenz in Russland, Spanien und sogar in Japan. Eine enorme Zahl für die damalige Zeit. Daher lautet ein Fazit Claude Dorniers in den 1960er-Jahren: „Der Wal hat die Firma Dornier von einer kleinen Versuchsfirma zu einem international bekannten Unternehmen gemacht.“

„Die Spielregeln ändern“ war damals das Motto für Claude Dornier. Aufgrund der Einschränkungen des Versailler Vertrages verlegte er die Produktion seines Flugbootes Do J „Wal“ ins Ausland, zuerst nach Italien, später nach Altenrhein. Strategisch gelang es ihm, trotz knapper finanzieller Mittel die ersten sechs Wale zu verkaufen – vom Reissbrett weg, ganz ohne fertiges Flugboot. Die Zuverlässigkeit, Robustheit und Langlebigkeit der Wale befähigten in den kommenden Jahren Wolfgang von Gronau, Roald Amundsen und zahlreiche weitere Pioniere der Luftfahrt zu neuen Rekorden und oft lebensgefährlichen Abenteuern. So gelangte das Flugboot in die Arktis, Antarktis, überquerte den Nord- und Südatlantik und die Tropen. Und nicht zuletzt erwies sich der Wal für die damals noch junge Deutsche Luft Hansa im Zusammenspiel mit den Katapultschiffen im internationalen Luftpostdienst als „Game Changer“ – das Sprungbrett, das Claude Dornier und seine Konstruktionen weltweit bekannt und erfolgreich machte.

Der Name der Ausstellung „Game Changer“ ist Programm: Die aufregende Geschichte der Pionierleistungen, Rekorde und Expeditionen des Dornier Wal werden in der neuen Sonderausstellung mit zahlreichen Zeitdokumenten und Exponaten erlebbar: spielerisch, interaktiv, analog und virtuell. Die Idee des in den 1020er-Jahren weit verbreiteten Brettspiels wird für diese Ausstellung als Medium genutzt, um den Besuchern die Geschichte des Dornier-Wal spielerisch näher zu bringen. Aber auch Techniken aus der Gegenwart und Zukunft werden genutzt: Ein Highlight der Ausstellung ist die Begehung des Dornier Wal in einer virtuellen Realität und Zeitreise in die 1920er Jahre. Mit modernster VR-Technik steigen Besucher in das Cockpit und können den Wal hautnah erleben. In einer Feierstunde wird am Donnerstag, 10. November, im Hangar des Dornier Museums das 100. Jubiläum des Wal-Erstfluges gefeiert. Michiel van der Mey wird in seinem Vortrag mit dem Titel „Der Dornier Wal, das deutsche Flugboot aus Marina di Pisa“ Einblicke in die Geschichte des Wals und dessen internationalen Lizenzbau geben. pd

Der Wal N25 befindet sich seit 2012 als Nachbau im Museum. Foto Dornier Museum

Ein Wal beim Katapultstart. Bild Airbus Corporate Heritage