«Zug statt Flug» tönt vorallem gut

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18. April 2022: Immer wieder tauchen aus linksgrünen Kreisen neue Ideen für eine Verlegung aller Kurzstreckenflüge auf die Schiene auf. Doch eine neue europäische Studie bestätige, dass die CO2-Reduktion durch die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Schiene nur begrenzt möglich sei. Das teilen der Flughafenverband ACI Europe, die globale Flugsicherungsorganisation Canso und die European Regions Airline Association mit.

Ein direkter Vergleich der derzeitigen Emissionen zeige zwar, dass der Schienenverkehr geringere CO2-Emissionen pro Passagierkilometer aufweise als der Luftverkehr, aber die CO2-Vorteile einer Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Schiene seien begrenzt und verursachen weitere ökologische sowie soziale und wirtschaftliche Kosten, kommt die Studie zum Schluss.

Bei der Bewertung der optimalen Politik für Kurzstreckenflüge in Europa müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Flüge unter 500 km machen nur ein bis zwei Prozent der gesamten EU-Luftemissionen aus. Obligatorische Verlagerungen vom Flugzeug auf die Schiene seien also kein Allheilmittel zur Verringerung der Emissionen, hält die Studie fest. Damit würde auch die Fähigkeit des Kurzstreckenluftverkehrs gefährden, als Testfeld für die Dekarbonisierung des Luftverkehrs zu dienen. Die Luftfahrtverbände fordern deshalb mehr Ausgewogenheit und sachliche Genauigkeit in der Debatte über die Intermodalität des nachhaltigen Verkehrs «Alle Verkehrsträger haben ihre Rolle zu spielen; es geht nicht um Luftfahrt oder Schiene, sondern um Luftfahrt und Schiene», so ihr Fazit.

Mit der Verschärfung der weltweiten Dekarbonisierungsziele ist der Verkehr, insbesondere der Luftverkehr, stärker in den Blickpunkt gerückt. Eine der vorgeschlagenen Lösungen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen im Verkehr ist die Verlagerung vom Flugzeug auf die Schiene. Dies wurde bereits durch massive Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur und durch Verbote und Steuern auf Kurzstreckenflüge in bestimmten Ländern gefördert, und es könnten noch weitere folgen.

Die neue Studie, die von europäischen Luftfahrtverbänden in Auftrag gegeben und von der Wirtschafts- und Finanzberatungsfirma Oxera durchgeführt wurde, bestätigt jedoch, dass der Umfang, in dem die Bahn den Flugverkehr ersetzen kann, begrenzt ist. Der Bericht mit dem Titel „Short-haul flying and sustainable connectivity“ (Kurzstreckenflüge und nachhaltige Konnektivität) macht deutlich, dass das Bild weitaus komplexer ist als die einfache Verlagerung von einem Verkehrsträger zum anderen. Der Bau neuer Eisenbahnstrecken ist mit hohen Umweltkosten verbunden, da bei der Herstellung von Zement und Stahl sowie bei der Verwendung von Brennstoffen für den Bau der Infrastrukturen CO2-Emissionen entstehen. In der Studie werden auch erhebliche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die Beeinträchtigung von Lebensräumen für wild lebende Tiere als weitere Umweltfaktoren genannt.

Für viele Kurzstreckenflüge mit geringerer Verkehrsfrequenz oder auf Flughäfen ohne gute Hochgeschwindigkeitsanbindung ist die Bahn wirtschaftlich nicht rentabel, da sie auf einem anderen Geschäftsmodell mit geringerer Auslastung und Geschwindigkeit beruht. Ausserdem gebe es keine Garantie dafür, dass die Passagiere vom Flugzeug auf die Bahn umsteigen und stattdessen mit dem Auto reisen, was zu höheren CO2-Emissionen führen könnte. Wichtig sei, dass die Dekarbonisierung des Luftverkehrs bereits weit fortgeschritten sein wird, wenn eine vergleichbare Schieneninfrastruktur eingeführt würde. Hybrid-elektrische Flugzeuge werden bis 2030 zunächst auf Regionalstrecken erprobt, wodurch die CO2-Emissionen pro Flug in diesem Marktsegment um 50 Prozent sinken werden, so die Luftfahrtverbände.

Da sowohl der Schienen- als auch der Luftverkehrssektor dekarbonisiert werden, wird sich der Abstand zwischen den CO2-Emissionen des Luft- und des Schienenverkehrs weiter verringern. Darüber hinaus werden Kurzstreckenflüge innerhalb Europas eine wichtige Rolle bei der Einführung kohlenstoffärmerer bahnbrechender Technologien spielen, da sie am ehesten als erste dekarbonisiert werden können und so die breitere Einführung der Dekarbonisierung beschleunigen.

Regionalflughäfen und Fluggesellschaften sind für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ihrer Region von entscheidender Bedeutung, da sie sicherstellen, dass die lokale Wirtschaft Zugang zu grösseren Wirtschaftszentren hat. Sie sind von zentraler Bedeutung für die Kohäsionspolitik der EU und wesentliche Instrumente zum Abbau territorialer und sozialer Ungleichheit. Das Europäische Parlament schätzt, dass der Luftverkehrssektor rund fünf Millionen Arbeitsplätze sichert und jährlich 110 Milliarden Euro zum europäischen BIP beiträgt. Bezieht man die indirekten Auswirkungen mit ein, steigen diese Zahlen auf 12 Millionen Arbeitsplätze und mindestens 700 Milliarden Euro BIP. Die Spitzen der Luftfahrtverbände fordern daher die politischen Entscheidungsträger auf, diese ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren zu berücksichtigen, wenn sie überlegen, wie die Dekarbonisierung des Regionalverkehrs in Europa optimiert werden kann.  hjb

Die Studie zum Herunterladen: ERA report_240322